Haus M >> Monologe am Tag mp3       >> Sound in der Nacht mp3      
Grundsätzliches zur Projektorientierung:
Im Rahmen des internationalen Wettbewerbes für den Kunstsommer »Kunstbaden« der Stadt Wiesbaden entstand das Objekt Haus M.
Bei meiner künstlerischen Bearbeitung des gestellten Themas Innen/Aussen setze ich mir folgende Grundüberlegungen für die Wahrnehmung von Räumen: Ein Raum wird definiert von der Position des Standortes des Betrachters. Es kann ein physikalischer Raum sein, der ein Gebäude oder eine Sphäre beschreibt, es kann aber auch ein Ort der seelischen oder körperlichen Erfahrung sein, wie innere Organe oder innere Gefühle. Auch Dinge in unserer geistigen Erfahrung verschaffen sich einen inneren, metaphysischen Raum. Ängste zum Beispiel, sind in der Lage in uns eine psychische Vorstellung von Räume zu bilden. Ein verorten von Innen oder Aussen entsteht durch eine persönlichen Definition, sowie die eigene Bestimmung und Benennung von bestimmten Feldern. Wir verknüpfen mit Innen kognitive Erfahrungen von Räumen. Unsere Wohnräume haben WIR durch unser individuelles Verhalten geschaffen, sie in Ihrer baulichen Nacktheit verändert, mit den Dingen gefüllt, die uns offensichtlich wichtig sind oder von uns als besonders wohnlich und angenehm empfunden werden.
  Modell Skizze der Nachtsituation Das Innen ist unser Rückzugsraum vor dem Aussen. Der Ort, an dem der Mensch seine eigen geschaffene Hermetik bildet, seine Wohnung, sein Refugium. Dieses verteidigt er und bewahrt es vor dem Zugriff des Aussen. Die Fenster stellen die optische Verbindung zu dem Aussen her. Fenster können durch Läden oder Vorhängen vor den Einblicken eines Aussenstehenden geschützt werden. Der PRIVATE Raum gibt dem Bewohner Gefühle wie Geborgenheit und die Möglichkeit zu seinem individuellen Rückzug. Das Innen, oder sagen wir der Innenraum ist der Ort des PRIVATEN. Die umbauten Räume, die Häuser gliedern und strukturieren unsere Städte. Sie schaffen Gegebenheiten, denen wir unser eigenes Handeln und Agieren anpassen (müssen). Es existiert keine Vorstellung bei dem Betrachten einer Hausfassade von dem Inhalt oder von den Lebensstrukturen der Hausbewohner. Diese Vorstellungen beschränken sich auf unsere eigenen Erfahrungen vom Innenraum. Das Geborgene, das wir durch unser eigenes Bewohnen erfahren, assoziieren wir hinter die unbekannten Fassaden.
Im Innenraum gibt man sich einem Bewusstsein hin, nicht von der Außenwelt oder von der sozialen Umwelt gestört zu werden. Das HAUS, die Wohnung sind der sicherste Ort des Menschen. Er schafft sich hier seine persönliche Umgebung. Er kann hier so handeln wie er will. ER WILL HANDELN. Eine Wohnung ist ein befriedetes Besitztum. Das Haus ist die Fassade,- das Sichtbare.
Das Wort »Haus« stammt aus dem indogermanischen »keu-« , also bedecken, umhüllen. Es bedeckt die Inhalte, es bedeckt uns. Die Wohnung oder das Haus wird beheizt oder gekühlt, die Wände mit Papier dekoriert, es wird hier gestaltet und den individuellen Lebensgewohnheiten und Bedürfnissen angepasst. Eine Wohnung berührt die nächste. Diese BERÜHRUNGEN sind nicht spürbar. Wir erstreben das eigene, solitäre Haus, das keine Berührungen zu einem Haus eines Nachbarn hat.
  Haus M vom Kurhaus gesehen   Privatbesitz
Der Anspruch nach privaten Besitzständen richtet sich nach dem EIGENEN und nicht nach dem ANDEREN. Hier herrscht die persönliche Ruhe. Das AUSSEN ist alles, was sich negiert zum Innen verhält. Der offene Außenraum bietet in eigentlichen Sinne keine Möglichkeit des Rückzugs. Wer Aussen ist, ist sichtbar. Er kann beobachtet werden, wenn er sich bewegt oder handelt. Er ist den Blicken der ANDEREN ausgesetzt, er ist verfügbar. Auch der Raum des Außen ist gestaltet. Die Bedingungen des BEWUSST AUSSEN SEINS sind geprägt durch die Beobachtung Dritter. Das Verhalten im Außenbereich ist somit ein anderes, als das im gewohnten Innenbereich. Der Park ist ein Ort des abgeriegelten, des umzäunten Außens. Er ist ein umschlossener RAUM. Die Gegebenheit in einem Park entsprechen einem grösseren, öffentlich sichtbaren Refugium. Der Besucher ist hier im "offensichtlichen" Außen, aber dennoch durch seine Umgrenzung und Gestaltung innerhalb des Stadtbildes, somit bildet ein Park auch einen geschützten, inneren Raum.
Die gestaltete Natur gibt uns hier das Gefühl des Behüteten und Geortneten. Ein Park dient der kontemplativen Erfahrung von Natur. Er wurde so gestaltet, wie die gesellschaftliche Ordnung oder Entwicklung einer Epoche dazu fähig war. Man begibt sich in einen Park auf der Suche nach Entspannung. Ein Park ist ein Ort der dem Rückzug dient, wenngleich auch durch das Flanieren oder das Sitzen eine direkte sichtbare Präsenz gegeben ist. In einem Park solidarisieren sich gewisse Verhaltensmuster, die gemeinsame Rückgezogenheit und die persönliche Verantwortung für die hier herrschende Stille. Die Erfahrung PARK wird nicht nur durch das persönliche zurückziehen in hier für geschaffene Nischen gekennzeichnet, sondern gerade auch durch die Anwesenheit des ANDEREN.
  Haus M Seitenansicht   Hält man sich in einem Park auf, so verändern sich die Fähigkeiten der Wahrnehmung. Es entsteht ein Pol der inneren Ruhe. Es wurden schriftlich Verhaltensvorschriften verORDNET um dieses künstlich herbeigeführte Gefühl nicht zu stören. Haus M mit Parkgäste Die Kurstadt Wiesbaden hat eine lange Parkanlagen-Tradition. Der Kurpark entspricht durch seine Umzäunung dem klassischen französischem Parkverständnis. Er wird abends geschlossen. Der Rückzugsort Park ist für die Nacht unzugänglich. Kaum ausgeprägt ist der Wunsch, sich über die Situation des Parks in der Nacht zu vergewissern. Auch ändert sich bei Dunkelheit durch die Abwesenheit von Menschen das Gefühl von Geborgenheit. Die Dunkelheit bietet in unseren Gedanken einen Raum für Unklares. Die Tatsache, es könnte auch während der Nacht ein Mensch im Park sein, lässt in uns Spekulationen über eine undefinierte Gefahr zu. Der Zaun verhindert den Versuch sich, dem Undefinierten zu nähern. Er beruhigt, er schützt vor dem was Innen sein könnte. Das Gefühl von Sicherheit ist Nachts nicht im Park sondern im Außen gegeben. Haus M Nacht Haus M Nachts Monitor 3

Installation Haus M
Kubus, Stahlbeton 3000 x 3000 x 3000 mm
4 Leuchtstoffröhren, wasserdicht á 58 W
Zeitsteuerungseinheiten, Relaisstation PA, wasserdicht montiert, MP3 Player,
Parkbank Modell »Profil«, 170 cm rot RAL 3000
2 m³ Kompost

Gedanken:
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fähigkeit des eigenen Handels bei der Wahrnehmung von eventuellen Gewalttaten. Diese spielen sich in den behüteten Innenräumen unserer Städte allgegenwärtig ab. Statt mit aktivem Eingreifen dem Wahrgenommen zu begegnen, wird oftmals mit einem Rückzug in das PRIVATE Refugium reagiert. Das vermeindliche Gehörte wird zur Alltäglichkeit. Die Übergriffe in einer aus den Fugen geratenen familiären Situation, eines Nachbarn, werden mit der Zeit ignoriert. Die entstehende Gewalt wird nur noch als eine persönliche Störung zu empfunden. Das, was hörbar hinter den Wänden eines unbekannten oder auch bekannten Nachbarn passiert, wird negiert oder verharmlost. Der Ort einer häuslichen Gewalttat wird oft von Täter und Opfer mit einem scheinbar normalen Tagesablauf kaschiert. Die Begegnungen in der Öffentlichkeit mit der Nachbarschaft wird zu einem gespielten Harmonietheater. In vielen Fällen sind Frauen die Opfer. Sie bilden oft einen Puffer zum Schutz ihrer Kinder. Sie sind ihren Männern körperlich unterlegen und durch viele gesellschaftliche Erziehungsmuster zu einer direkten Handlung unfähig.
Die gemeinsame Wohnung, der Innenraum wird als ein Ort des NICHT ENTWEICHEN KÖNNENS empfunden. Der scheinbare Schutz den INNENRÄUME bilden, wird plötzlich zur Falle und zum Selbstbetrug.
Das Haus M bekommt im Kurpark besondere Beachtung. Die Installation bezieht sich in ihren verschiedenen Zuständen auf eine alltägliche Geräuschkulisse, einer gewissen Normalität eines bewohnten Ortes. Mit dem Wahrnehmen einer Frauenstimme wird dem Objekt eine BEWOHNERIN zugeordnet. Es sind zwar Fenster vorhanden, aber durch ihre bauliche Höhe wird der Einblick verwehrt. Es existiert keine Tür, damit auch keine Möglichkeit des Zu/- oder Ausgangs.
Das Haus besitzt eine kalte Ausstrahlung. Der rohe Beton, das Fehlen des Glases in den Fenstern, sind Materialien und Symbole der Kälte, des Erstarrten. Der Kompost, hinter dem Haus ist das hingegen ein warmes Element.
Die Bank ist als bewusst gesetzter farblicher Akzent rot lackiert. Sie unterschiedet sich von den hier üblichen Bänken. Durch das Verweilen auf ihr ist es möglich sich durch das Wahrnehmen der Töne, der Installation innerlich zu nähern.
Erlebt man die Nachtsituation, so hebt sich das Haus M durch die Beleuchtung aus dem Dunkel des Parks hervor. Es wirkt bewohnt. Bei der Annäherung über eine der beiden Strassen vernimmt man deutlich die Töne aus dem Haus. Doch, bedingt durch die geschlossenen Tore und den Zaun, kommt man nicht näher. Die nun eventuell einsetzende selbstbegründete Gewissheit sich der Installation in der Nacht nicht noch weiter nähern zu können, nicht einzugreifen zu können, geben Sicherheit ein HANDELN nicht in Erwägung zu ziehen.
Markus Quiring
 

Editionen "Haus M"
Relief, Beton 70 cm x 55 cm (15 kg) »ausverkauft«
Original CD mit Tag und Nachtsound jeweils 60 min.
Fotografien Tag und Nacht,
Format: 13 cm x 18 cm

     
    Modellmontage Haus M       Blick vom Kurhaus       Haus M Seitenansicht       Tagessituation       Nachtsituation                 >> back   >> home